Select Page

Eine alte Tradition aus kalten Gebieten findet immer mehr Freunde bei uns
In manchen Teilen Russlands – insbesondere auch in Sibirien – sowie in einigen Gegenden Chinas und in Finnland gehen die Menschen seit jeher einer Tradition nach: Sie hacken ein Loch ins Eis und gehen im eiskalten Wasser baden. 

Vor etwa 10 Jahren begannen bei uns Spitzenfussballer, Radfahrer, Läufer nach einer grossen Anstrengung ein Eisbad zu nehmen oder sich gar den bis zu -180°C einer Kältesauna auszusetzen.

Was ausgangs des vorletzten Jahrhunderts mit Sebastian Kneipp begann, erfreut sich bei uns aktuell immer grösserer Beliebtheit. Man sagt, die Kälte stärke das Immunsystem, beuge Erkältungen vor, helfe dem Sportler bei der Regeneration und sei ausserdem bei einer Vielzahl von Krankheiten eine sinnvolle Therapie. Zeit also für uns, etwas zu recherchieren und zu schauen was hinter der Idee steckt. 

Was geschieht mit unserem Körper beim Eisbad?
Das Eisbad oder eben auch der Aufenthalt in einer Kältesaune sorgt für einen starken Kältereiz: Kaum befinden wir uns im eiskalten Wasser, ziehen sich unsere hautnahen Blutgefässe zusammen und der Körper beginnt unmittelbar damit, das Blut von Armen und Beinen wegzuleiten und sich im Körperinnern zu sammeln. Damit schützen wir unsere lebenswichtige Organe vor dem Kälteschock. 

Gleichzeitig weiten sich die Gefässe im Inneren, damit das Blut im Körper zirkulieren kann und Organe sowie Arme und Beine weiter durchblutet werden. Durch die geweiteten Blutgefässe ist der Körper in der Lage, auch im Eiswasser für kurze Zeit seine Soll-Kerntemperatur zu halten. Das braucht allerdings eine sehr grosse Menge an Energie. Der Körper verbrennt dazu Fett und mobilisiert Adrenalin und andere Stresshormone. Der «Adrenalinkick» führt auch dazu, dass sich viele Eisschwimmer nach dem Bad euphorisch fühlen.

Wirkung auf das Immunsystem
Richtiges und regelmässiges Eisbaden kann ausserdem das Immunsystem anregen und es bei Abwehr von Erkältungsviren unterstützen. Denn Mediziner haben festgestellt, dass Eisbaden die Zahl der Leukozyten (weisse Blutkörperchen) im Blut erhöht. Die weissen Blutkörperchen gelten als unsere «Immunpolizei». Sie schützen vor Infektionen und können Entzündungen hemmen. Ausserdem wird auch der Wärmehaushalt trainiert: Der Körper lernt so, besser mit Kälte und Temperaturschwankungen umzugehen, was dazu führt, dass man «robuster» wird.

Der Sportler und das Eisbad
Man erinnert sich vielleicht noch an ein Bild, das Franck Ribéry an der EM 2012 in einer Kältekammer bei -110°C zeigte. Kältetherapie (Kryotherapie) wird im Sport eingesetzt, um Muskelkater vorzubeugen und die Regeneration zu beschleunigen. Das Eisbad lässt ausserdem den Testosteronspiegel (bei Frauen und Männern) leicht steigen und zugleich sinken die Creatin-Kinase-Werte: Das steigert die Leistung. Im Spitzensport kommt es zu einer Leistungsverbesserung von einem bis zwei Prozent, im ambitionierten Hobbysport liegen bis über zehn Prozent drin, wie eine Studie der Universität Münster zeigt. 

Wirkung auf die Psyche
Auch auf psychotherapeutischer Ebene ist das Eisbaden empfehlenswert, denn es hilft, Ängste abzubauen und Panikattacken vorzubeugen. Zudem kann das eiskalte Bad einen positiven Einfluss auf den Schlaf haben. Wissenschaftler konnten übrigens auch eine positive Auswirkung auf die Stimmung der Badenden erkennen: Der Temperaturschock setzt Glückshormone über mehrere Stunden hinweg frei – und die entschädigen damit wohl für die Überwindung, welche das kalte Bad fordert. 

Jetzt – im Spätsommer beginnen
Wer das Abenteuer Eisbaden wagen will, sollte nicht direkt im Winter damit starten, sondern jetzt im Spätsommer mit Wechselduschen beginnen, sodass der Körper in einem noch relativ warmen Umfeld bereits auf die Kälte vorbereitet wird. Kneipp-Bäder sind eine gute Alternative, um sich an das kalte Wasser zu gewöhnen. Wenn man den Sommer über in einem offenen Wasser gebadet hat, ist es auch ideal, das einfach in den Herbst und schliesslich in den Winter hinein fortzuführen und sich mit dem langsam und stetig abkühlenden Wasser an die tieferen Temperaturen zu gewöhnen.

Ein No-Go bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen!
Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie zum Beispiel Bluthochdruck, sollten Eisbaden grundsätzlich vermeiden. Wer unsicher ist, sollte unbedingt vorher seinen Arzt um Rat fragen!

Die Eis-Baderegeln
Fürs kalte Bad gibt es einige spezielle Baderegeln, die unbedingt beachtet werden müssen:

  • Gehen Sie niemals allein Eisbaden, sondern in der Gruppe. Dann ist im Notfall Hilfe zur Stelle.
  • Springen Sie nie ins kalte Wasser, sondern steigen Sie langsam hinein.
  • Auf den Kälteschock reagieren einige Menschen mit hektischer «Schnappatmung». Zwingen Sie sich zu ruhiger, richtiger Atmung! Das kräftigt den Kreislauf und lenkt ausserdem vom Kältegefühl ab.
  • Tauchen Sie nicht mit dem Kopf und den Haaren unter Wasser, da sonst sehr viel Wärme verloren geht. Am besten eine Mütze aufsetzen. Ihre Füsse können Sie mit speziellen Neoprenschuhen schützen.
  • Hören Sie auf Ihr Körpergefühl und muten Sie sich nicht zu viel zu! Denn nur wer nicht zu lange badet, profitiert auch davon.
  • Nach dem Eisbad sollten Sie sich sofort trocknen und warm einpacken und Ihrem Körper Ruhe gönnen.

Achtung: Jeder Körper kann unterschiedlich mit Kälte umgehen. Manche Menschen verlieren sehr schnell an Körpertemperatur, weshalb das Winterbaden gefährlich werden kann. Andere hingegen können die Körperwärme lange speichern. Bei geübten Eisschwimmern setzt der Körper seine Energie schneller in Körperwärme um, um eine Unterkühlung zu vermeiden. Daher halten es manche Menschen nur wenige Sekunden, andere dagegen mehrere Minuten im eiskalten Wasser aus.

Viel Spass allenfalls beim kalten Bade!

Zum Schreiben dieses Blogs hat mich ein Besuch von Dr. Martin Ghedina bei uns veranlasst. Er berichtete von seiner zugegebenermassen etwas «speziellen Schwimmgruppe», welche auch im Winter unter seiner Leitung draussen in natürlichen Gewässern ihrem Hobby frönt. Dr. Ghedina hat ausserdem eine Übersichtsarbeit mit dem Titel «Kryotherapie am Beispiel von Wim Hof» verfasst.

Bildrechte untenstehendes Foto https://pluslifehealth.com.au 

Teilen Sie aktiv!