Chronische Entzündungen sind tückisch: Sie schmerzen selten, verlaufen oft unbemerkt und schaden doch dem ganzen Körper. Immer mehr Forschungen zeigen, dass sie an der Entstehung zahlreicher Zivilisationskrankheiten beteiligt sind – von Herzinfarkt über Diabetes bis Demenz. Doch das heisst nicht, dass man ihnen ausgeliefert ist. Ein gesunder Lebensstil – und besonders die richtige Ernährung – kann das innere Entzündungsfeuer wirksam dämpfen.

Lesetipp: Wenn sie zuerst verstehen möchten, was eine Entzündung eigentlich ist, warum sie lebenswichtig ist und wann sie gefährlich wird, lesen Sie unseren vorangegangenen Blogbeitrag (Teil 1).

Das stille Feuer im Körper
Während akute Entzündungen eine natürliche, kurzzeitige Reaktion des Immunsystems sind, werden chronische Entzündungen zum Problem, wenn der Alarmzustand nicht mehr endet. Dauerhaft erhöhte Mengen an Entzündungsbotenstoffen zirkulieren im Blut, Gewebe bleibt gereizt, und das Immunsystem greift körpereigene Strukturen an.
Betroffene fühlen sich oft müde, antriebslos oder leiden unter diffusen Schmerzen, ohne die Ursache zu kennen. Die Auslöser sind vielfältig: Übergewicht, insbesondere Bauchfett, Stress, Bewegungsmangel, Umweltgifte oder ungesunde Ernährung. Das viszerale Fett rund um die Organe gilt als besonders problematisch, weil es selbst entzündungsfördernde Botenstoffe produziert – ein Teufelskreis aus Stoffwechselstörung und Immunsystemüberreaktion

Der Lebensstil als Schlüssel
Die gute Nachricht: Chronische Entzündungen lassen sich beeinflussen. Studien zeigen, dass sich durch Veränderungen des Lebensstils messbare Verbesserungen erzielen lassen. Drei Pfeiler sind besonders entscheidend:

  1. Bewegung – den Körper in Balance bringen

Regelmässige körperliche Aktivität senkt entzündungsfördernde Signalstoffe wie TNF-α und CRP. Schon 30 Minuten moderates Training täglich wirken wie eine natürliche «Medizin» für das Immunsystem (Gleeson et al., J. Clin. Invest., 2011).

  1. Erholung und Schlaf – das Immunsystem regenerieren

Schlafmangel und Dauerstress erhöhen Stresshormone wie Cortisol, die das Immunsystem aus dem Gleichgewicht bringen. Achtsamkeit, Meditation oder Yoga helfen, diese Spirale zu durchbrechen und die innere Ruhe wiederzufinden.

  1. Ernährung – der direkteste Hebel gegen Entzündung

Was wir essen, beeinflusst hormonelle, immunologische und mikrobielle Systeme. Damit ist Ernährung der mächtigste und zugleich einfachste Weg, chronische Entzündungen langfristig zu bremsen.

In drei Schritten zu einer antientzündlichen Ernährung
Die antientzündliche Ernährung ist kein kurzfristiger Trend, sondern basiert auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Forschende wie Prof. Martin Smollich (Universität Lübeck) und Carla Wunderle (Kantonsspital Aarau) betonen, dass sie keine Wundermethode, sondern ein nachhaltiger Ansatz für mehr Gesundheit ist.

  1. Gewicht reduzieren – Fett als Entzündungsmotor abschalten

Körperfett, insbesondere das sogenannte viszerale Fett im Bauchraum, ist kein träges Polster, sondern ein aktives Organ. Es produziert Zytokine, die Entzündungsreaktionen verstärken. Wer übergewichtig ist, trägt somit buchstäblich sein eigenes Entzündungszentrum mit sich herum.
Der erste Schritt zur Entlastung ist daher Gewichtsreduktion – egal, durch welche Ernährungsform. Studien zeigen, dass schon ein moderater Gewichtsverlust von fünf bis zehn Prozent die Konzentration von CRP und Interleukin-6 deutlich senkt (Esser et al., Curr. Opin. Clin. Nutr. Metab. Care, 2014). Entscheidend ist nicht, ob man mediterran, vegetarisch oder kohlenhydratarm isst – der Rückgang des Körperfetts wirkt stets entzündungshemmend.

  1. Antientzündliche Lebensmittel bevorzugen

Wenn das Gewicht stimmt, entscheidet die Qualität der Nahrung. Antientzündliche Ernährung orientiert sich an einer pflanzenbasierten, mediterranen Kost. Typisch sind:

  • Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst – reich an Ballaststoffen, Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen wie Polyphenolen. Diese fördern nützliche Darmbakterien, die kurzkettige Fettsäuren produzieren – natürliche Gegenspieler von Entzündungsmediatoren.
  • Fettreicher Seefisch (z. B. Lachs, Makrele, Sardine) – liefert Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA), die entzündungshemmende Eicosanoide bilden. Wobei beim Lachs unbedingt auf Bio-Qualität zu achten ist.
  • Pflanzliche Öle mit ungesättigten Fettsäuren, etwa Oliven-, Raps- oder Leinöl.
  • Nüsse und Samen, die gesunde Fette und Antioxidantien enthalten.
  • Grüner Tee, Beeren und Äpfel, reich an Polyphenolen, die zellschützende Effekte entfalten.

Diese Lebensmittel senken oxidative Stressreaktionen und modulieren die Aktivität des Immunsystems – sie wirken also ursächlich gegen stille Entzündungen (Calder et al., Nutrients, 2022).

  1. Entzündungsfördernde Lebensmittel vermeiden

So wichtig es ist, das Richtige zu essen, so entscheidend ist es, schädliche Komponenten zu reduzieren. Ernährungswissenschaftlerin Wunderle bringt es auf den Punkt: «Es hilft wenig, zuerst den proentzündlichen Burger und danach den Apfel zu essen.»

Folgende Gruppen gelten als entzündungsfördernd:

  • Verarbeitetes Fleisch (Wurst, Speck): enthält Hämeisen, Nitrite und Arachidonsäure.
  • Gesättigte Fettsäuren (fettes Fleisch, Palmöl): erhöhen LDL-Cholesterin und fördern Gefässentzündungen.
  • Transfette (Frittieröl, Fertiggebäck): begünstigen Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
  • Weissmehlprodukte und Zucker: führen zu Blutzuckerspitzen, aktivieren Entzündungsenzyme und stören das Mikrobiom.
  • Alkohol: schwächt das Immunsystem und schädigt Zellen langfristig.

Je stärker ein Lebensmittel verarbeitet ist, desto wahrscheinlicher wirkt es entzündungsfördernd.

Keine Wunderpillen – echte Lebensmittel wirken besser
Viele greifen zu Nahrungsergänzungsmitteln, etwa zu Kurkuma- oder Omega-3-Kapseln. Doch Fachleute warnen vor überhöhten Erwartungen. Smollich betont, dass Nahrungsergänzungsmittel nur bei nachgewiesenem Mangel sinnvoll sind

Besonders kritisch sind hochdosierte Kurkuma-Präparate, die mit Leberschäden in Verbindung gebracht wurden. Der Grund: Zusatzstoffe wie Piperin erhöhen die Aufnahme von Curcumin, umgehen aber körpereigene Schutzmechanismen. Wer Kurkuma hingegen als Gewürz oder Knolle verwendet, profitiert von den natürlichen Effekten – ohne Risiko.

Entzündungshemmung als ganzheitliches Konzept
Eine antientzündliche Ernährung ist kein Dogma, sondern Teil eines umfassenden Lebensstils. Sie funktioniert am besten in Kombination mit Bewegung, Stressabbau und ausreichend Schlaf. Die Summe dieser Massnahmen bringt das Gleichgewicht im Körper zurück – das, was die Biologie «Homöostase» nennt.

Am Ende geht es nicht darum, Entzündungen völlig zu unterdrücken – sie bleiben ein notwendiger Teil unseres Schutzsystems. Ziel ist es, die Balance zwischen Entzündung und Heilung wiederzufinden.

Quellen

  • Mell, E. (2024). Gesund essen: In 3 Schritten zu antientzündlicher Ernährung. NZZ am Sonntag, 27. Juni 2024.
  • Niederer, A. (2024). Chronische Entzündung: Wie sie Krankheiten fördert und Leben verkürzt. NZZ, 8. Juni 2024.
  • Calder, P. C. et al. (2022). Dietary factors and inflammation. Nutrients, 14(5): 1031.
  • Esser, N. et al. (2014). Anti-inflammatory effects of lifestyle changes. Curr. Opin. Clin. Nutr. Metab. Care, 17(4): 295–302.
  • Gleeson, M. et al. (2011). Exercise, immunity, and inflammation. J. Clin. Invest., 121(6): 2150–2157.