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Nein, sie heisst weder Francesca noch hat sie den lasziven Blick von Sophia Loren. Vielmehr fasziniert sie mich durch ihre Vielfältigkeit: Manchmal ist sie rau, manchmal zart, manchmal fein, manchmal gröber in ihrer Form. Sie kleidet sich gekonnt und abwechslungsreich und das Verlangen nach ihr ist auch in meinem zarten Alter von mittlerweile 55 Jahren ungebrochen.

Ich spreche vom einfachsten aller Gerichte, der Pasta. Im wohlhabenden Norden aus Weichweizen und Eiern – im ärmeren Süden aus Hartweizen und Wasser bereitet. That’s it, basta – mehr braucht es nicht! Schon von Kindsbeinen an war ich ein grosser Liebhaber von Teigwaren (wie man damals noch sagte) aller Art. So sehr, dass ich des Öfteren vergass Salat, Gemüse und im schlimmsten Fall gar Fleisch zu essen. Nur Sauce oder Reibkäse musste ich dazu haben – dann war mein Glück jeweils gross.

Seit meiner ersten Reise ins südliche Nachbarland weiss ich, dass Teigwaren Pasta heisst, von Region zu Region unterschiedlich aussieht, mit ebensolchen Sugi nach strengen Regeln gepaart wird und frisch zubereitet um Faktoren besser schmeckt, als unsere luftdicht verschweisste, getrocknete Industrieware aus dem Supermarkt.

Mit dem Kauf meiner ersten Küchenmaschine fanden auch eine Pastawalze und Aufsätze zum Schneiden von Tagliatelle und Taglierini den Weg in meine Küche. Die ersten Resultate zeigten bereits, dass man weder über Raketentechnologie noch über sonderlich viel Erfahrung zu verfügen braucht, um mit «homemade» Pasta die Produkte aus dem Grossverteiler zu schlagen.

So richtig den «Ärmel reingenommen» hat es mir allerdings, als ich mein erstes Kochbuch von Claudio del Principe (a casa) als Geschenk erhielt. Als dann sein Pasta-Kochbuch «a mano» – ein Werk voller Passione für die Pasta erschien, entschied ich mich fortan nur noch im äussersten Notfall industriell gefertigte Teigwaren zu kaufen. Claudio del Principe verstand es mit seinen Texten und Bildern ein Feuer in mir zu entfachen. Fortan wurden Salz und Öl aus dem Teig verbannt, es wurde von Hand geknetet und – sofern die Form der Pasta es erforderte – der Teig von Hand mit dem Matarello ausgewallt. Die Formen wurden vielfältiger und mit der Übung wurde ich nicht nur besser, sondern auch merklich schneller.

Eine weitere wunderbare Quelle der Inspiration ist der YouTube Channel «Pasta Grannies». In jeweils etwa 4-minutügen Filmbeiträgen laden uns Grossmütter aus ganz Italien zu sich nach Hause in ihre Küchen ein und zeigen uns, unkompliziert und authentisch, wie sie ihre Lieblingspasta zubereiten. Darunter Frauen, welche über 90 Lenze zählen und deren vom Leben gezeichneten Hände seit 80 Jahren beinahe täglich Pasta zubereiten. Früher für ihre Grossfamilien, wo oft 15 oder mehr hungrige Münder zu Tisch sassen, heute manchmal nur noch für sich selbst.

Das Zubereiten von Pasta mit einfachsten Werkzeugen, sprich den eigenen Händen ist auch ein «sinnliches» Erlebnis. Zu spüren wie aus Mehl und Wasser ein geschmeidiger Pastateig wird, ihn danach zu Orecchiette, Strozzapreti, Gnocchi Sardi oder was immer das Herz begehrt zu formen, hat auch etwas Meditatives. In Italien sitzen oft auch mehrere Personen am Tisch und formen ihre Pasta gemeinsam – die Herstellung von Pasta ersetzt so auch grad das Kaffeekränzchen.

Normalerweise teilen wir unsere Geliebte nicht freiwillig. Bei dieser, meiner grossen, Italienischen wäre es mir allerdings eine Freude, Sie dazu motivieren zu können, einmal selbst «Hand anzulegen». Die langen Winterabende sind ideal dazu. Nebst den oben erwähnten Quellen sind die unendlichen Weiten des Webs voller Anleitungen. Legen sie aber bitte Wert auf Authentizität – den bei Pasta gibt’s (wie in jeder Liebesbeziehung) auch Regeln, die nicht gebrochen werden dürfen. Gerüchte besagen, dass in den abgelegenen Hinterhöfen Bolognas die eine oder andere Leiche eines Touristen liegt, der «Spaghetti Bolognese» bestellt hat…

PS Zur Erklärung: Das «Ragu Bolognese» stammt aus Bologna und wird für Lasagne oder breite Nudeln verwendet. Spaghetti hingegen sind eine Pastaform des Südens. Nebst der geographischen Differenz eignen sich Spaghetti auch deshalb nicht für eine Paarung mit Ragu Bolognese, weil dieses einfach nicht an den Spaghetti haftet. Spaghetti Bolognese sind somit entgegen der landläufigen Meinung kein italienisches Gericht und etwa so authentisch wie eine Berner Rösti mit Ananas-Stücken.

PPS Über ein Bild Ihrer selbstgemachten Pasta freuen wir uns sehr!

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