Aufgepumpt und abgezockt – so werden die Konsumenten von Billig-Geflügel ausgetrickst! 

Es klingt wie ein schlechter Scherz, ist aber bittere Realität: In den Tiefkühltruhen unserer Supermärkte liegt vermeintlich günstiges Pouletfleisch, das in Wahrheit gar nicht so viel Fleisch enthält, wie die Verpackung glauben macht. Migros und Coop bieten unter ihren Billiglinien M-Budget und Prix Garantie Pouletgeschnetzeltes an, das laut K-Tipp nicht nur aus Fleisch besteht, sondern zu einem beträchtlichen Teil aus Salz- oder Würzlake. Der Konsument kauft also Wasser – zum Fleischpreis.

Ein Blick auf die Zutatenliste offenbart, was auf der Frontseite kaum zu erkennen ist: Das M-Budget-Poulet besteht nur zu 83 Prozent aus Fleisch, der Rest sind Wasser, Salz, Gewürze und Zusatzstoffe. Bei Prix Garantie sieht es kaum besser aus: 88 Prozent Fleisch, der Rest schlicht Wasser und Salz. Wer sich durch die Tiefkühltruhe gräbt, zahlt also nicht für saftiges Schweizer Poulet, sondern für eine Mogelpackung aus aufgespritztem Wasser.

Das Verfahren hat einen harmlos klingenden Namen: Plumping – auf Deutsch oft «Aufpolstern» oder schlicht «Aufpumpen» genannt. Technisch läuft es so ab: Fleischstücke werden in Salz- oder Gewürzlake gelegt oder mit feinen Nadeln direkt injiziert. Wie das bei ganzen Poulets aussieht zeigt dieses Video; wie das bei Pouletbrüsten gemacht wird, zeigt dieses Video. Damit sich das Wasser nicht gleich wieder verabschiedet, mischen Hersteller Zusatzstoffe wie Phosphate oder Stabilisatoren bei. Das Fleisch wirkt dadurch schwerer, saftiger und für viele auch «zarter». Doch der eigentliche Effekt ist ein anderer: Mehr Gewicht für weniger Fleisch – und mehr Gewinn für die Industrie.

Das Problem ist nicht neu. Bereits SRF Kassensturz berichtete vor einigen Jahren, dass viele Fleischprodukte in Schweizer Läden «mit Lake aufgespritzt» seien. Verbraucherschützer kritisieren seither, dass die Deklaration oft im Kleingedruckten der Zutatenliste versteckt wird, während vorne auf der Packung harmlose Begriffe wie «Poulet-Geschnetzeltes roh» stehen. Wer liest das schon im Stress des Alltags genau? Genau das ist Teil des Systems: Man verlässt sich auf die grosse Aufschrift – und übersieht das Kleingedruckte, das entscheidend wäre.

Die Branche argumentiert gern, dass Salzlake für mehr Saftigkeit sorge, das Fleisch beim Braten nicht so schnell austrockne. In der heimischen Küche stimmt es durchaus: Wer Fleisch selbst in Salzlake einlegt, sorgt für mehr Aroma. Ich selbst arbeite oft mit sogenannten «Brines». Doch was die Industrie macht, ist eine ganz andere Dimension. Da geht es nicht mehr um Geschmack, sondern um Gewicht, Masse und Marge. Es ist ein Spiel mit Erwartungen, bei dem Konsumentinnen und Konsumenten die Verlierer sind.

Und die Folgen? Wer solche Produkte brät, kennt das Ergebnis: Statt appetitlich knuspriger Pouletstücke zischt und dampft es in der Pfanne, Wasser tritt aus, das Fleisch schrumpft, es bleibt eine fade, schwammige Konsistenz. Dazu kommt ein oft deutlich erhöhter Salzgehalt, der gerade für Menschen mit Bluthochdruck alles andere als empfehlenswert ist.

Das eigentliche Ärgernis aber ist die Täuschung. Niemand würde sich freiwillig für Fleisch mit fast 20 Prozent Wasser entscheiden – schon gar nicht, wenn es teurer ist als echtes Poulet. Doch solange die Kennzeichnung nur halbherzig erfolgt, bleibt vielen gar nichts anderes übrig, als sich überrumpeln zu lassen. Der Schweizer Fleischfachverband forderte deshalb schon länger klarere Deklarationen direkt auf der Vorderseite – etwa ein deutlich sichtbares «mit Salzlake behandelt». Bisher haben Migros und Coop darauf jedoch kaum reagiert.

Dabei wäre die Lösung einfach: Wer reines Poulet will, sollte beim Einkauf genau auf die Etiketten achten. Bei Coop sind es die Produkte mit der Aufschrift «roh, ungewürzt», bei Migros «nature». Oder – noch besser – man greift gleich zu frischem Poulet – das kostet mit etwas Glück sogar weniger als die «aufgepolsterten» Tiefkühlvarianten. Discounter wie Aldi, Lidl oder Denner bieten laut K-Tipp ohnehin nur frisches Poulet an und verzichten auf das Aufpumpen mit Lake.

International ist das Problem noch ausgeprägter. In den USA etwa ist Plumping seit Jahrzehnten ein Thema: Dort darf Geflügel mit bis zu 30 Prozent Salzlake verkauft werden, ohne dass das für den Verbraucher sofort klar erkennbar wäre. In Grossbritannien und Deutschland haben Medien ebenfalls wiederholt über aufgepumptes Billiggeflügel berichtet. Die Praxis ist also kein Schweizer Einzelfall, sondern Teil einer globalen Fleischindustrie, die mit Wasser ihre Margen steigert.

Am Ende bleibt eine bittere Wahrheit: Wer glaubt, beim Tiefkühlpoulet der Billiglinien ein Schnäppchen zu machen, bezahlt im Grunde teures Wasser zum Fleischpreis. Der Skandal ist nicht, dass diese Technik existiert – das ließe sich ja offen deklarieren und der Kunde könnte frei entscheiden. Der Skandal ist, dass diese Produkte fast schon heimlich als vollwertiges Fleisch verkauft werden, während der eigentliche Anteil schrumpft.

Es ist höchste Zeit, dass wir Konsumentinnen und Konsumenten genauer hinschauen, unsere Kaufentscheidungen bewusster treffen – und uns nicht länger für dumm verkaufen lassen. Denn Poulet sollte einfach Poulet sein!