Das Märchen
Vor langer Zeit schon und leider bis in die heutigen Tage wurde und wird «Dehnen» propagiert. Zum einen soll es Otto Normalverbraucher, dessen Leben in der heutigen Gesellschaft nach vorn gerichtet ist (Handy, Computerarbeitsplatz, sitzende Haltung mit den Schultern nach vorne) vor den schmerzhaften Folgen verkürzter Brust-, Bauch- und Hüftbeugemuskulatur bewahren und zum andern soll es Hobby- und Leistungssportler vor Verletzungen schützen, zu einer besseren Regeneration beitragen und bestenfalls auch grad noch die Leistung steigern.
Leider ein Märchen – und nicht mal eines mit Happy End! Passives Dehnen führt zu keinen positiven Effekten im obigen Sinne! Warum nicht? Verkürzte Muskeln werden während des passiven Dehnens zwar minimal länger doch schon zehn Minuten später ist der ganze Effekt verpufft!
Nochmals: Bei der «herkömmlichen Dehnmethode» werden die Muskelfasern kurzzeitig auseinander gezogen. Nach der Dehnung ist zwar der Muskeltonus geringer – allerdings hat sich die Anzahl der Sarkomere nicht verändert (das Sarkomer ist die kleinste funktionelle Einheit der Muskulatur).
Das Problem
Viele chronische Schmerzen, wie beispielsweise bei Arthrose oder einem Bandscheibenvorfall entstehen durch krankhafte Veränderungen des Bewegungsapparats. Die Auslöser solcher Veränderungen können vielfältiger Natur sein. Meist sind es andauernde einseitige Belastungen (Beruf, Hobby), ein bewegungsarmer Lebensstil, Verletzungen und Unfälle, welche chronische Schmerzen hervorrufen. Obige Veränderungen führen zu sogenannten «muskulären Dysbalancen» einem «Ungleichgewicht» in unserem Bewegungsapparat; Muskeln oder ganze Muskelketten sind zu kurz und lösen so die verschiedenen Probleme aus.
Die Lösung
Die Lösung solcher Probleme liegt in einer nachhaltigen Verlängerung der betroffenen Muskeln respektive Muskelketten. Nicht «passives Dehnen» sondern Muskellängentraining ist somit gefragt.
Doch was ist der Unterschied?
Beim Muskellängentraining wird ein Reiz erzeugt, der den Muskel durch Bildung und Einbau zusätzlicher Sarkomere wirklich länger werden lässt.
Dies geschieht, indem eine Belastung in einer vorgespannten Gelenkposition erfolgt. Im Gegensatz zum klassischen Krafttraining oder auch dem statisch-passivem Dehnen, wird der Muskel beim Muskellängentraining aktiv in einer «vorgedehnten» Position belastet. Der daraus entstehende Reiz löst das gewünschte Muskellängenwachstum aus. Der Muskel besitzt anschliessend mehr Sarkomere als vorher.
Muskellängentraining im Sport
Als Pionier in Sachen Muskellängentraining gilt der Arzt Walter Packi, welcher übrigens auch als Begründer der modernen Biokinematik gilt. Bereits ab 1989 führte Packi am Olympiastützpunkt in Köln Muskellängentraining mit Ruderern, Kanuten und Leichtathleten durch. Allen voran standen die Hochspringer Heike Henkel und Carlo Tränhardt und die Hammerwerfer um Heinz Weiss.
Die von Walter Packi angesetzten Trainingskomponenten waren für die Athleten erst einmal schockierend, da sie der damaligen Philosophie des passiven Dehnens widersprachen. Als zentrale Übungseinheit führte Walter Packi alle Athleten in eine maximale Dehnung der ventralen Muskelkette (Linie der Hüftbeugemuskeln (M. Iliopsoas), der Achse der geraden Bauchmuskeln über das Brustbein in die Verlängerung der Porträt-Muskeln (M. sternocleidomastoideus)).
Allen initialen Widerständen zum Trotz verbesserten sich nicht nur entsprechende Schmerzprobleme im Rücken und in den Knien, sondern die Leistungen der Sportler insgesamt. Es wurden also nicht nur die verkürzten Muskeln länger, was zu Schmerzfreiheit führte – nein die so trainierten Muskeln gewannen auch an Kraft!
Fazit
Muskellängentraining fühlt sich initial zwar wie «Dehnen» an, ist aber höchst anstrengend, da es einem statischen Krafttraining in der maximalen Muskellänge entspricht. Durch Bildung zusätzlicher Sarkomere werden Muskeln mit diesem Training effektiv länger, Dysbalancen und Ihre negativen Auswirkungen können beseitigt und die Leistung gesteigert werden.
Mehr Infos findet Ihr auf unserer Website zum Thema Biokinematik. Gerne helfen wir auch bei zu Fragen zum gezielten Muskellängentraining weiter!