Select Page

Hausärztemangel, ständig steigender administrativer Aufwand und die daraus resultierende Überlastung, waren schon vor Covid-19 ein Thema in vielen Praxen. Mit der aktuellen Pandemie hat sich die Situation nochmals signifikant verändert. Unsere Hausärzte und Ihre Teams im Hintergrund leisten unter erschwerten – und vor allem ständig ändernden -Bedingungen teilweise Unglaubliches, um die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Nun sind sie auch zunehmend mit psychischen Problemen ihrer Patienten konfrontiert.

Wir haben dies zum Anlass genommen, Dr. Urs Kitschmann, mit dem wir seit der Gründung unserer Praxis intensiv zusammenarbeiten, ein paar Fragen zum Thema zu stellen. Seine Antworten stehen wohl stellvertretend für viele seiner Berufskolleginnen und -kollegen.

Wie geht es dir und deinem Team aktuell?

Mein Team und ich sind sehr angespannt und müde. Vor den Feiertagen waren wir alle an der Grenze unserer Belastbarkeit und haben die freien Tage gebraucht, um die Batterien wieder zu füllen. Wir sind täglich mit Covid-19-Patientinnen und Patienten konfrontiert – wir haben auch dringend eine Pause von der ständigen Exposition gegenüber den Viren benötigt. Glücklicherweise hat sich bei uns bisher niemand angesteckt. Dazu fordern die regelmässig ändernden Lagebeurteilungen der gesundheitspolitischen Entscheidungsträger eine hohe Flexibilität von uns. Es folgen immer wieder neue Richtlinien, die meist am Freitagabend kommuniziert werden und bereits am darauffolgenden Montag umzusetzen sind.

Inwiefern hat sich euer Alltag durch Covid-19 verändert?

Die Arbeit in der Praxis ist komplizierter geworden, wir haben ein aufwändiges Schutzkonzept, welches umgesetzt werden muss. So sind beispielsweise die Türen zu unseren Praxisräumlichkeiten geschlossen. Die Patienten müssen sich telefonisch anmelden, werden dann nach Händedesinfektion empfangen und eingelassen. Dazu muss regelmässig gelüftet und alles desinfiziert werden. Dabei soll weiterhin jedem Patienten die nötige Aufmerksamkeit entgegengebracht werden und jeder, der einen Termin benötigt, soll den auch erhalten. Der Aufwand ist sehr stark angestiegen und wir haben auch das Personal entsprechend aufstocken müssen.

Wie sieht eure Belastung aktuell aus und wie kommt ihr damit zurecht?

Die Belastung ist sicher an der oberen Grenze. Es liegt nicht nur an der Mehrarbeit, die Covid-19 mit sich gebracht hat. Es sind auch die ständige Exposition gegenüber dem Virus und die mentale Belastung durch viele Einzelschicksale – vor allem von älteren Patienten. Wir haben allerdings ein gutes Team und einen guten Teamgeist. Wir tauschen uns regelmässig aus und versuchen, die wichtigen Arbeitspausen einigermassen einzuhalten. Mehr als sonst sind wir deshalb auch auf genügend freie Tage angewiesen, um zu regenerieren, die Expositionszeit zu verringern und damit letztlich auch gesund zu bleiben.

Spürt ihr auch eine Veränderung bei euren Patienten?

Unsere Patienten sind sehr verunsichert, vor allem Risikopatienten wie Lungenkranke und ältere Menschen. Viele haben Angst und sind allein. Was bringt die Zukunft? Wie geht es der Familie? Wie geht es wirtschaftlich weiter? Das sind Fragen, welche vermehrt auch psychische Folgen haben. Insgesamt sind viele Patienten, je länger die Pandemie nun andauert, sehr dünnhäutig geworden.

Wie hoch ist der Anteil eurer Tätigkeiten, die mit Covid-19 zusammenhängen?

Sehr hoch, das lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken.

Könnt ihr noch alle Patienten behandeln?

Ja, das können wir, aber mit deutlich mehr Aufwand. Es gibt auch ein Leben neben Covid-19. Wir behandeln unsere Patienten wie bisher; Herz-/Kreislaufpatienten, Zuckerkranke, Krebspatienten, um nur einige zu nennen. Wenn wir nicht mehr alle Patienten behandeln, dann erfüllen wir den Auftrag als Hausärzte und Grundversorger nicht mehr. Dies ist glücklicherweise nicht der Fall; nicht zuletzt auch wegen unserer Flexibilität und unserem guten Teamgeist.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Behörden für die Hausärzte?

Leider ein sehr schwieriges Kapitel. Die politischen Entscheidungsträger haben teilweise sehr wenig Ahnung, was bei uns «an der Front» abläuft. Man darf zum Beispiel von politischer Seite nicht einfach kommunizieren, man könne sich ab sofort beim Hausarzt gegen Covid-19 impfen lassen, wenn schlicht und einfach kein Impfstoff vorhanden ist. Das führt nur zu unnötiger Verunsicherung. Unsere Praxis ist der Gesundheitsdirektion gemeldet als Praxis, die mit bestehender Infrastruktur und genügend Personal sofort impfen könnte. Allerdings haben wir bis heute keine einzige Impfdosis erhalten. Es fehlen vielerorts klare Richtlinien und wahrheitsgetreue Aussagen. Die Kommunikation muss massiv verbessert werden, auch der Bevölkerung gegenüber. Auf der anderen Seite muss festgehalten werden, dass die Politiker mit der derzeitigen aussergewöhnlichen Situation oft auch überfordert ist, was allerdings nachvollziehbar ist.

Was möchtet ihr unseren Bloglesern mitgeben?

Wir müssen die derzeitige Situation respektieren, die Richtlinien einhalten, solidarisch sein und dürfen keine Panik aufkommen lassen. Stellen Sie sich vor, Sie sind am Meer, geniessen wieder einmal Sonne, Wärme und Wasser und schauen den Wellen zu…auch die grösste aller Wellen flacht einmal ab! So wird es auch mit der Pandemie sein. Tragen Sie Sorge zu sich und Ihrem Immunsystem und bleiben Sie gesund!

Wir danken dir für das Gespräch und wünschen dir und deinem Team – stellvertretend für die ganze Branche – viel Energie und natürlich gute Gesundheit. Wir danken euch an dieser Stelle auch für den Einsatz, den ihr Hausärzte mit euren Teams für uns alle unter diesen schwierigen Bedingungen leistet!