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Immer wieder hören wir Mitmenschen über ausgeklügelte Entschlackungs- und Entgiftungskuren und wundersame Hilfsmittelchen diskutieren; hören welche Unsummen sie dafür ausgeben und wie gut ihnen das tue. Manchmal müssen wir dann innerlich schmunzeln, manchmal regen wir uns aber auch richtig auf, denn in erster Linie ist das eine grossartige Marketing-Leistung der Diät- und Wohlfühlindustrie. Warum?

Erstens haben wir noch nie von einem Pathologen gehört der «Schlacke» in einem Menschen gefunden hätte (es sei den es handelte sich um den Mitarbeitenden einer Giesserei, der selbige versehentlich oder willentlich verschluckt hätte). Auch für die anderen Benefits, für welche die Industrie und ihre Entgiftungspäpste predigen und entschlackte Zellen, schönere Haut, entlastete Leber und Darmgesundheit versprechen gilt dasselbe: Es fehlt jegliche wissenschaftlichen Standards genügende Grundlage!

Warum fühlen sich denn die «entschlackten und entgifteten» Menschen nach Ihren teuren Kuren besser? Ganz einfach: Klarere Haut bekommt, wer mehr trinkt, weniger Kopfschmerzen sind das Resultat auf den Verzicht auf Koffein und Alkohol. Und weniger Probleme mit der Verdauung und Blähungen ist ganz simpel eine Folge der geringeren Nahrungsaufnahme.

Das Entgiften besorgt der Körper ganz ohne ausgeklügelte Diäten und teure Mittelchen. Unsere Lungen, Lebern und Nieren, unser Verdauungstrakt und unser Immunsystem können giftige Substanzen innerhalb kürzester Zeit neutralisieren und beseitigen. Fazit: Statt für kurze Phasen teuer und streng zu «detoxen» sollten gesundheitsbewusste Menschen sich lieber ausgewogen ernähren – und zwar das ganze Jahr über!

Zu dem Thema möchten wir Ihnen einen wunderbaren Artikel von Dr. Colombani (NZZ am Sonntag vom 27.01.2019) empfehlen.

«Zu Jahresbeginn befassen sich viele Gesundheitsbewusste mit Entgiftung oder Entschlackung. Beim Detoxen und Entschlacken scheiden sich die Geister. Was für manche ein ernstzunehmendes Thema ist, treibt andere auf die Palme. Was steckt hinter Detox, Entgiftung und Entschlackung? Die älteren Semester unter uns kennen noch das Entschlacken. Heute hingegen werden wir in den sozialen Medien von Influencern über die verschiedenen Detox-Produkte aufgeklärt. Ob früher oder heute, ob alter oder neuer Begriff: Fachleute fragen sich, was das alles soll. Befürworter des Detoxens oder Entschlackens gehen davon aus, dass unser Körper Gifte oder Endprodukte des Stoffwechsels ansammelt und dass er aktiv davon gereinigt werden muss. Dies tönt dramatisch und wird der wesentliche Grund sein, weshalb Methoden wie Detox und Entschlackung auf grossen Anklang stossen. Das Problem dabei ist die fachliche Grundlage. Sie fehlt.

Unser Körper kann mit den Endprodukten des Stoffwechsels problemlos umgehen. Er besitzt zwei Top-Detox-Organe: Leber und Niere. Sie haben unter anderem die Aufgabe, Endprodukte des Stoffwechsels und Gifte zu entsorgen. Und Schlacken sucht man im Körper vergeblich. Detox und Entschlacken sind in erster Linie Marketingargumente und keine ungünstigen Zustände, die man aktiv bekämpfen muss. Weshalb schwören aber viele, auch in der Sport- und Fitnessszene, auf die Wirkung von Detox- oder Entschlackungskuren? Einerseits sind die immer genannten Folgen einer scheinbaren Überladung mit Giften oder Schlacken unspezifisch: Kopfschmerzen, Unwohlsein, Müdigkeit usw. Da fühlen sich praktisch alle angesprochen. Anderseits zielen die kurierenden Massnahmen darauf ab, weniger zu essen, und führen automatisch zu einer Entlastung des Stoffwechsels. Der gespürte Effekt hat nichts mit Detox oder Entschlackung zu tun. Wäre eine hohe Bildung von Endprodukten im Stoffwechsel ein giftiges Problem, dann müssten Sport und Fitness als ungesund eingestuft werden. Denn jede sportliche Aktivität kurbelt unseren Stoffwechsel an und bildet zwangsläufig vermehrt Endprodukte – ohne irgendwelche negativen Auswirkungen. Im Gegenteil: Trotz der Mehrproduktion an Endprodukten stellt sich ein positiver Effekt auf die Gesundheit ein. Auf Massnahmen zum Detoxen oder Entschlacken können wir also problemlos verzichten, Leber und Niere sei Dank».

Dr. Paolo Colombani ist Emährungswissenschafter. Nach fast zwanzig Jahren Forschung an der ETH Zürich arbeitet er jetzt als Selbständiger.

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