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Tageslichtlampe – wirkungsvoll gegen Winterblues?

Tageslichtlampe – wirkungsvoll gegen Winterblues?

Nachdem wir auf unseren letzten Blogbeitrag zum Thema Frühlingsmüdigkeit viele Reaktionen erhielten und insbesondere auch Fragen zum Thema «Tageslichtlampen», haben wir uns entschieden, dem Thema einen eigenen Beitrag zu widmen.

Frühjahrsmüdigkeit, auch bekannt als saisonale affektive Störung (SAD), betrifft viele Menschen während des Übergangs von Winter zu Frühling. Typische Symptome sind anhaltende Müdigkeit, Antriebslosigkeit und eine gedrückte Stimmung. Nebst den anderen, in unserem letzten Blogbeitrag erwähnten Interventionsmöglichkeiten ist die Lichttherapie eine effektive und wissenschaftlich fundierte Methode zur Linderung dieser Beschwerden. Dieser Artikel erläutert die Ursachen der Frühjahrsmüdigkeit, die Wirkungsweise der Lichttherapie, die Eigenschaften geeigneter Lampen und gibt Anwendungsempfehlungen.

Ursachen der Frühjahrsmüdigkeit

Die Frühjahrsmüdigkeit wird massgeblich durch hormonelle Veränderungen im Körper beeinflusst. Während der dunklen Wintermonate produziert die Zirbeldrüse vermehrt Melatonin, ein Hormon, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert und Müdigkeit fördert. Gleichzeitig sinkt die Produktion von Serotonin, einem Neurotransmitter, der für Wohlbefinden und Antrieb verantwortlich ist. Mit dem Einsetzen des Frühlings und der verlängerten Tageslichtdauer benötigt der Körper Zeit, um sich an die veränderten Lichtverhältnisse anzupassen und das hormonelle Gleichgewicht wiederherzustellen. Dieser Anpassungsprozess kann zu den typischen Symptomen der Frühjahrsmüdigkeit führen.

Wirkungsweise der Lichttherapie

Die Lichttherapie nutzt künstliches Licht, um den natürlichen Einfluss des Sonnenlichts auf den menschlichen Organismus zu simulieren. Durch die Exposition gegenüber hellem Licht wird die Melatoninproduktion gehemmt und die Serotoninproduktion gefördert, was zu einer Steigerung von Wachheit und Stimmung führt. Studien zeigen, dass die Lichttherapie sowohl bei saisonalen als auch bei nicht-saisonalen Depressionen wirksam ist. [Lam RW et al. JAMA Psychiatry 2015, epub 18.11.15].

Eigenschaften einer geeigneten Lampe

Für eine effektive Lichttherapie ist die Wahl der richtigen Lampe entscheidend. Wichtige Merkmale sind:

  • Lichtintensität: Eine Beleuchtungsstärke von mindestens 10.000 Lux ist empfehlenswert, um die gewünschten therapeutischen Effekte zu erzielen.
  • Farbtemperatur: Eine Farbtemperatur zwischen 5.000 und 6.500 Kelvin, die dem natürlichen Tageslicht entspricht, ist ideal.
  • UV-Filter: Die Lampe sollte über einen UV-Filter verfügen, um schädliche ultraviolette Strahlung zu eliminieren und Haut sowie Augen zu schützen.
  • Größe und Design: Eine ausreichend große Leuchtfläche gewährleistet eine gleichmäßige Bestrahlung. Ein flexibles Design erleichtert die Integration der Therapie in den Alltag.

Anwendung der Lichttherapie

Die Wirksamkeit der Lichttherapie hängt maßgeblich von der korrekten Anwendung ab. Empfohlene Schritte:

  • Zeitpunkt: Die Therapie sollte idealerweise morgens zwischen 5:30 und 8:00 Uhr durchgeführt werden, um den natürlichen circadianen Rhythmus zu unterstützen. [NEUROSTIM.ch, 9. November 2024, Lichttherapie, Winterdepression].
  • Dauer: Eine tägliche Sitzungsdauer von 20 bis 30 Minuten ist bei einer Lichtintensität von 10.000 Lux ausreichend.
  • Abstand: Der Abstand zur Lampe sollte etwa 30 bis 50 Zentimeter betragen.
  • Aktivität: Während der Sitzung können alltägliche Tätigkeiten wie Lesen oder Frühstücken durchgeführt werden. Es ist nicht notwendig, direkt in die Lampe zu schauen, jedoch sollten die Augen geöffnet sein, damit das Licht auf die Netzhaut trifft.

Erste Verbesserungen der Symptome können bereits nach wenigen Tagen auftreten, eine kontinuierliche Anwendung über mehrere Wochen wird jedoch empfohlen, um nachhaltige Effekte zu erzielen.

Vergleich mit Antidepressiva
Die Lichttherapie bietet eine effektive Alternative oder Ergänzung zur medikamentösen Behandlung von saisonalen Depressionen. In der erwähnten Studie zeigte die Lichttherapie eine vergleichbare Wirksamkeit wie das Antidepressivum Fluoxetin, wobei die Kombination beider Therapien die besten Ergebnisse lieferte [Lam RW et al. JAMA Psychiatry 2015, epub 18.11.15]

Ein Vorteil der Lichttherapie ist das geringere Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu Antidepressiva, die häufig unerwünschte Effekte wie Übelkeit, Gewichtszunahme oder sexuelle Dysfunktionen verursachen können.

Fazit
Die Lichttherapie stellt eine wissenschaftlich fundierte und gut verträgliche Methode zur Behandlung von Frühjahrsmüdigkeit dar. Durch die gezielte Anwendung von hellem, tageslichtähnlichem Licht können hormonelle Ungleichgewichte ausgeglichen und depressive Symptome effektiv gelindert werden. Bei korrekter Anwendung und Auswahl einer geeigneten Lampe kann die Lichttherapie eine wertvolle Alternative oder Ergänzung zu medikamentösen Behandlungen darstellen und Betroffenen helfen, energiegeladen und positiv in den Frühling zu starten.

Technogym Checkup – das komplette Wellness-Age Assessment

Technogym Checkup – das komplette Wellness-Age Assessment

 

Diesmal ein Blogbeitrag in eigener Sache: Wir freuen uns, als eine der ersten Anbieter in der Schweiz über das brandneue computer- und KI-gestützte, umfassende Assessment Tool von Technogym zu verfügen.

Was kann der «Checkup»?
Der Checkup kombiniert Messungen und Tests zu Körperzusammensetzung, Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Gleichgewicht und geistigen Fähigkeiten und errechnet anhand dieser Daten Ihr biologisches Alter. Eine KI-gestützte Coaching Funktion unterstützt Sie anschliessend dabei, spezifische Massnahmen zur Verbesserung der individuellen Werte zu finden.

Die Tests
Die Körperzusammensetzung umfasst die Messung von Fettmasse, Muskelmasse und Wasseranteil (intra- und extrazellulär) im Körper sowie des Phasenwinkels als Indikator für die Zellgesundheit. Die Beweglichkeitstests bestimmen die Gelenkbeweglichkeit und Dehnbarkeit an vier der wichtigsten Gelenk(-gruppen) am Körper. Ein Koordinationstest prüft die Gleichgewichtskapazität. Weiter wird die kognitive Leistung anhand von Tests für Gehirngeschwindigkeit, geistige Aufmerksamkeit und Erinnerungsvermögen gemessen.

Zusätzlich zu den obigen Tests, welche direkt am Technogym Checkup durchgeführt werden, messen wir auf kompatiblen Kraftgeräten die Maximalkraft von bis zu neun verschiedenen Muskelgruppen und bei einem 20-minütigen Ausdauertraining auf einem vernetzten Cardio-Equipment wird die Herz-Kreislauf-Leistung aufgezeichnet.

Die Resultate
Nach Abschluss der Tests erhalten Sie eine detaillierte Analyse Ihrer Ergebnisse. Diese Analyse resultiert in Ihrem «Wellness-Alter™», das aus den verschiedenen Messungen berechnet wird. Das Wellness-Alter™ wird mit dem chronologischen Alter verglichen und zeigt Ihnen, wie fit Sie wirklich sind. Mit mehreren Messungen über die Zeit können Sie Ihre Fortschritte klar verfolgen und bleiben motiviert. Gleichzeitig werden die oben beschriebenen sechs verschiedenen Testgruppen auch einzeln bewertet. Die daraus resultierenden Stärken und Defizite ermöglichen es die Gesundheit und Fitness ganz gezielt zu verbessern.

Der «AI-Coach»
Basierend auf Ihren individuellen Messwerten erstellt der Technogym AI Coach (ein auf künstlicher Intelligenz basierter Ratgeber) einen Vorschlag für ein massgeschneidertes Trainingsprogramm, das perfekt auf ihre Bedürfnisse und Ziele abgestimmt ist. Egal, ob sie Gewicht verlieren, Muskeln aufbauen oder einfach gesünder leben möchten – ihr persönlicher Coach unterstützt Sie dabei.

Ganzheitliche, wissenschaftlich fundierte Standortbestimmung
Die Resultate des Checkup zeigen Ihnen ganzheitlich und umfassend, wo Sie gesundheitlich und auf Ihre Leistungsfähigkeit bezogen stehen. Eine regelmässige Wiederholung der Tests ermöglicht es Ihnen die Fortschritte in den einzelnen Bereichen zu sehen und auch Ihr Trainingsprogramm entsprechend weiter zu optimieren.

Zeitbedarf und Kosten
Die Durchführung eines kompletten Tests dauert rund 90 Minuten.

Ein erster Test kostet CHF 260 Folgetests kosten CHF 225; ein 5er Abo ist für CHF 980 erhältlich.

Die Resultate erhalten Sie als Daten und Grafiken in einer App, die es Ihnen auch ermöglicht, die Entwicklung der Daten über die Zeit zu verfolgen.

In unserem neuen Fitnessabo «Platinum» sind bereits 2 Tests enthalten und im 11er Abo für 50-minütige Physiotherapeutische Behandlungen (Gesundheitscoaching) können auf Wunsch 2 Tests ohne Zusatzkosten durchgeführt werden.

Für weitere Fragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung! 

Hier noch ein Video zum Checkup.

Die Physiotherapie im freien Fall?

Die Physiotherapie im freien Fall?

Die Tarifverhandlungen in der Physiotherapie finden in der Schweiz direkt zwischen den Tarifpartnern, den Krankenversicherungen (vertreten durch Santésuisse) und den Physiotherapeuten (vertreten durch ihren Verband Physioswiss) statt. Sollten diese Verhandlungen scheitern, das heisst zu keinem von beiden Parteien akzeptierten Ergebnis führen, entscheidet der Bund via das Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) über die Tarifstruktur.

Das ist jüngst passiert und das BAG hat zwei Vorschläge für eine Tarifrevision in der Physiotherapie in die Vernehmlassung gegeben. (Für interessierte: Link zum Erläuternder Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens). Auf den ersten Blick schauen die beiden Vorschläge – wohl insbesondere für Branchenfremde – vernünftig und «harmlos» aus. Variante 1 sieht vor, die bestehenden Sitzungspauschalen für allgemeine Physiotherapie (Tarifposition 7301) und aufwändige Physiotherapie (Tarifposition 7311) mit einer Mindestsitzungsdauer zu ergänzen und zusätzlich eine neue Pauschale für eine Kurzsitzung von 20 Minuten einzuführen. Variante 2 sieht vor, anstelle der bisherigen Pauschalen eine neue Grundpauschale (Sitzungszeit von mindestens 20 Minuten) sowie eine neue Position für jede weitere 5 Minuten Sitzungszeit einzuführen. Schaut man die Vorschläge etwas genauer an, fallen vor allem folgende Punkte auf:

In beiden Vorschlägen sind neu Sitzungen von 20 Minuten vorgesehen. Eine physiotherapeutische Sitzung dauert heute an den allermeisten Orten 30 Minuten und beinhaltet etwa 5 Minuten für den administrativen Aufwand, der im Zusammenhang mit der Therapiesitzung entsteht (Führung des Patientendossiers, etc.). Was hier nun quasi durch die «Hintertüre» eingeführt wird, ist der 20-Minuten-Rhythmus. Zwar wird die Physiotherapie bezogen auf den Stundenumsatz nicht schlechter gestellt (man behandelt neu einfach 3 anstelle von 2 Patienten) aber die Versicherer bezahlen pro Patienten rund 33% weniger. Clever, nicht? Wer von Ihnen schon in der Physiotherapie war, weiss, dass 20 Minuten in den meisten Fällen nicht ausreichen, um eine qualitativ sinnvolle Therapieleistung zu erbringen. Wieviel Zeit benötigt nur schon das Aus- und Ankleiden, die Frage nach dem Befinden und das Nachführen des Patientendossiers? Bei einem 20 Minuten Termin bleibt da kaum noch etwas übrig. Dem Patienten würde mit dieser Änderung das Recht auf eine wirkungsvolle, qualitativ adäquate Behandlung wohl weitestgehend genommen.

Darüber hinaus würden wir wohl auch einen signifikanten Teil unserer Mitarbeitenden verlieren. Physiotherapeuten sind in der Schweiz sehr gut ausgebildet und übernehmen tagtäglich eine grosse Verantwortung. Sie verfügen heute über eine Matura und einen Studienabschluss bei einer vergleichsweise bescheidenen Entlöhnung. Ein achtstündiger Arbeitstag eines Therapeuten bedeutet heute 16 Patienten. Das ist anstrengend und braucht viel Energie. Werden aus diesen 16 nun 24 Patienten sprechen wir bald von «Fliessbandarbeit». Das ist wohl auch mental kaum mehr in der notwendigen Qualität zu bewerkstelligen und führt mit Sicherheit zu einer Kündigungswelle, was den aktuellen Mangel an Physiotherapeuten weiter dramatisch verschärft.

Ein weiterer Punkt betrifft die Tarifposition 7311 in der Physiotherapie. Die Tarifposition 7311 für sogenannte «aufwendige Physiotherapie» kommt aktuell dann zur Anwendung, wenn der Patient ein komplexes Krankheitsbild aufweist. Was das heisst, ist in der aktuellen Tarifordnung genau festgelegt. So kommt der Tarif unter anderem zum Tragen, wenn mehrere nicht benachbarte Gelenke betroffen sind, eine Beeinträchtigung des Nervensystems, sensomotorische Verlangsamungen oder kognitive Defizite, relevante Nebendiagnosen wie beispielsweise Diabetes oder eine palliative Situation vorliegen. Solche komplexen Krankheitsbilder fordern den Physiotherapeuten deutlich mehr und erfordern eine aufwändigere Anamnese und einen entsprechend sicheren, gut abgestützten Behandlungsplan. Nicht selten werden diese Fälle bei uns auch ausserhalb der Behandlungszeit an den wöchentlichen Teamsitzungen besprochen. Ein höherer Tarif ist für diese Position somit gerechtfertigt.

Die beiden Vorschläge des Bundesrates sehen nun vor, dass die Behandlungsdauer für die Tarifposition 7311 auf mindestens 45 Minuten festgelegt wird. Damit entspricht die Entschädigung pro Zeiteinheit für die aufwändige Physiotherapie neu exakt der Entschädigung für eine «normale» Physiotherapie. Wird das Modell so umgesetzt, hat das mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Qualitätseinbusse für die betroffenen Patienten zur Folge, denn die vorgesehene Entschädigung für Physiotherapie erlaubt es den Praxen nicht, diesen «Extra-Effort» umsonst zu leisten. Werden alle weiteren Parameter so belassen, führt diese Änderung der Tarifordnung in den meisten Praxen zu Umsatzeinbussen in der Grössenordnung von 20-25%.

Und nun noch ein Wort zu den Kosten der Physiotherapie: Mit Umsetzung der in Vernehmlassung befindlichen Tarifordnung wird der von einem Therapeuten erzielbare Umsatz im schweizerischen Durchschnitt bei etwa CHF 95 pro Stunde festgelegt. In diesem Stundensatz ist alles eingeschlossen. Für den Einsatz teurer Trainings- und Therapiegeräte (eine gut ausgerüstete Praxis hat hier schnell einmal CHF 300’000 in der Bilanz), interne und externe Fortbildungen, Administration, IT, Miete….schlichtweg alles, was es braucht, um eine Praxis zu betreiben. Wenn wir das nun vergleichen mit den Stundensätzen unseres Treuhänders, der Kosmetikerin, des Gärtners (der notabene noch jede Maschine verrechnet), des Automechanikers oder wohl auch der Mitarbeitenden des BAG, dürfte es klar werden, warum immer mehr Physiopraxen keinen Nachfolger mehr finden oder gezwungen sind, mit Fitnessabos die Trainingsinfrastruktur für ihre Patienten zu subventionieren.

Spannend ist auch, dass die gleichen Krankenversicherer, welche der Meinung sind, dass CHF 95 pro Stunde für eine qualitativ hochwertige Physiotherapie genügen, über Ihre Zusatzversicherungen medizinische Massagen mit CHF 150 oder Osteopathie mit CHF 180 pro Stunde entgelten, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Auch die Löhne der Angestellten der Versicherer, die sich notabene auch in den Kosten der Grundversicherung niederschlagen, sind im Gegensatz zu denjenigen der Physiotherapie in den letzten 20 Jahren «marktüblich» gestiegen. Dasjenige Gehalt von Sanitas CEO Andreas Schönenberger ist in den letzten fünf Jahren gar von CHF 469’272 auf CHF 956’486 angestiegen – also um über 100%.

Es ist unbestritten, dass die Kosten der Physiotherapie, welche etwa 3.5% der Gesundheitskosten ausmachen in den letzten Jahren im Durchschnitt stärker gestiegen sind als die anderen Kosten der obligatorischen Grundversicherung. Warum ist das so? Hier gibt es wohl keine einfache abschliessende Antwort. Zum einen haben wir immer mehr ältere Menschen in der Physiotherapie, mit dem Ziel, diesen länger ein selbständiges Leben zu Hause zu ermöglichen, weiter wird heute mehr als früher versucht, Operationen mit Physiotherapie hinauszuzögern oder gar zu vermeiden und Patienten werden postoperativ viel früher aus den Spitälern geschickt als noch vor einigen Jahren. Dazu – und das ist auch richtig so – haben Physiotherapeuten heute auch eine bessere Kenntnis der Tarifstruktur und rechnen das ab, was ihnen von Gesetzes wegen auch zusteht.

An der ganzen Kostendiskussion stört ausserdem, dass dabei die Wirkung von physiotherapeutischen Leistungen aufs gesamte Gesundheitssystem ausser Acht gelassen wird. Investiert man in die Physiotherapie, können dadurch anderswo Kosten eingespart werden. Studien zu Knie- und Rückenschmerzen zeigen exemplarisch auf, dass hier ein grosses Potential vorhanden wäre. Die Kosten für bildgebende Verfahren, Medikamente, Operationen übersteigen um ein Vielfaches die Physiotherapiekosten. Das heisst, dass die Physiotherapie bei sehr vielen Beschwerden das beste Preis-/Leistungsverhältnis im Gesundheitssystem hat. Investiert man in die Physiotherapie, hat das einen positiven Effekt auf die Gesamtkosten.

Abschliessend darf man mit Recht behaupten, dass der neue Tarifvorschlag einseitig die Bedürfnisse der Krankenversicherer berücksichtigt und den finanziellen und strukturellen Problemen der Physiotherapie keine Rechnung trägt. Es ist zugegebenermassen spekulativ, wenn man vermutet, dass angesichts des bevorstehenden erneuten Prämienanstiegs in der Grundversicherung an den günstigsten Leistungserbringern des Gesundheitswesens, den Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten ein Exempel statuiert werden soll und man der Bevölkerung einen «Beschwichtigungsknochen» hinwerfen will.

Nicht als Spekulation gilt jedoch die Aussage, dass bei Umsetzung des Vernehmlassungsvorschlages die Physiotherapie in unserem Land in den freien Fall gestossen wird. Unterstützen Sie uns, damit es nicht so weit kommt – wir halten Sie auf dem Laufenden.

Ihre Aktiv Physio

Der Direktzugang zur Physiotherapie kann die Gesundheitskosten senken

Der Direktzugang zur Physiotherapie kann die Gesundheitskosten senken

 

Aktuell werden uns die Physio-Patienten immer via Arzt überwiesen. Der Patient hat ein gesundheitliches Problem und geht zum Arzt. Dieser entscheidet nach erfolgter Untersuchung, ob eine physiotherapeutische Behandlung angezeigt ist oder nicht und stellt je nachdem eine «Verordnung zur Physiotherapie» aus.

Es stellt sich nun die Frage, ob es gesundheitlicher Probleme gibt, bei welchen es sinnvoll wäre, direkt zum Physiotherapeuten zu gehen, ohne den «Umweg» über den Arzt zu machen. Dazu gibt es einiges an Datenmaterial. Einige Länder kennen diesen «Direktzugang» zur Physiotherapie bereits und es gibt verschiedene Studien zu dem Thema.

2019 hat eine Forschergruppe aus Schweden sich diesbezüglich mit der «Volkskrankheit» Arthrose auseinandergesetzt 1). Bereits heute nimmt diese Diagnose einen Spitzenplatz bzgl. Häufigkeit ein und dies dürfte sich in den kommenden zehn Jahren noch weiter verschärfen. Was wäre also, wenn künftig der Physiotherapeut anstelle des Arztes die Untersuchung machen und die Behandlungsstrategie festlegen würde? Dieser Frage ging die Schwedische Studie nach und ordnete 69 Patienten je zur Hälfte nach dem Zufallsprinzip entweder einem Arzt oder einem Physiotherapeuten zu.

Eine Nachkontrolle ein Jahr später zeigte, dass beide Interventionskanäle zu einer signifikanten Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes führten und keine unerwünschten Nebenwirkungen aufgetreten waren. Dies lässt den Schluss zu, dass beide Leistungserbringer in der Primärversorgung klinisch gleichermassen für die Erstversorgung geeignet sind.

Dieses Jahr nun analysierte die gleiche Forschergruppe die Kosten der Behandlungsprozesse nach einem standardisierten Kosten-Wirkungs-Verfahren 2). Die Analyse führte zu dem Ergebnis, dass die Behandlungskosten bei der Erstbehandlung durch den Physiotherapeuten statistisch signifikant tiefer sind. Dieser Effekt ist auf eine tiefere Anzahl Arztkonsultationen, weniger Röntgenaufnahmen und Weiterverweisungen an Orthopäden zurückzuführen.

Selbstverständlich kann und soll der Physiotherapeut den Arzt nicht ersetzen. Es gibt aber eine Anzahl Diagnosen im muskuloskelettalen Bereich, wo ein Direktzugang zur Physiotherapie sinnvoll wäre (so beispielsweise auch bei unspezifischen Rückenschmerzen – siehe unseren Blog dazu). Das entlastet einerseits die Hausärzte und führt auch zu einer Senkung der Gesundheitskosten, sind doch die Physiotherapeuten mit einem Ansatz von CHF 100 pro Stunde die mit Abstand günstigsten Leistungserbringer im Gesundheitswesen.

1) Ho C-M, Thorstensson CA, Nordeman L., Physiotherapist as primary assessor for patients with suspected knee osteoarthritis in primary care – a randomised controlled pragmatic study. BMC Musculoskelet Disord. 2019; 20(1): 329

2) Ho-Hendriksson C-M, Svensson M, Thorstensson CA, Nordeman L., Physiotherapist or physician as primary assessor for patients with suspected knee osteoarthritis in primary care – a cost-effectiveness analysis of a pragmatic trial. BMC Musculoskelet Disord. 2022; 23: 260


Grafik: Direktzugang vs Traditionelles Versorgungsmodell; n= Anzahl Patienten

Der Handy-Nacken – Übel oder nächste Evolutionsstufe?

Der Handy-Nacken – Übel oder nächste Evolutionsstufe?

 

Unterm Christbaum waren sie vergangene Weihnachten wieder besonders häufig zu finden und bereits in der Primarschule ist der soziale Status der Kinder abhängig vom Modell, das sie besitzen: Smartphones.

Wir sehen nun die erste Generation von Menschen, die mit dem Smartphone aufwuchsen, ins Erwachsenenalter kommen. Alle kennen die Bilder der Handy-Junkies: Im Zug, am Tisch beim Essen, draussen auf der Parkbank, im Wartezimmer – schlicht überall und andauernd ist ihr Blick streng nach unten gerichtet, immer in «Achtungsstellung» vor dem Display, die Finger permanent in Tipp- und Streichbereitschaft; der Übergang von Halswirbelsäule zur Brustwirbelsäule in Flexion und die Schultern nach vorne unten hängend.

Zwischen 700 und 1400 Stunden, die der durchschnittliche Nutzer im Jahr auf sein Smartphone starrt, wirken sich auf den menschlichen Körper aus. Der menschliche Kopf wiegt etwa 4.5 bis 5.4 Kilogramm. Sobald man den Kopf in «Smartphone-Stellung» bringt; das heisst in einem Winkel von bis zu 60 Grad nach vorne neigt, um auf den Bildschirm, wirkt eine um das bis zu Fünffache erhöhte Zugkraft auf die Nackenmuskulatur, was wiederum dem fünffachen Eigengewicht des Kopfes oder rund 25-27 Kilogramm entspricht.

Die Konsequenzen daraus bereiten allerdings aus medizinischer Sicht keine Freude. Immer mehr – vor allem junge Menschen – leiden aufgrund exzessiver Smartphone-Nutzung am sogenannten Handy-Nacken, so warnt Europas grösste Vereinigung von internationalen Wirbelsäulenspezialisten, Eurospine.

Auch wir kennen diese Probleme zuhauf aus unserem Praxisalltag. Bis die Betroffenen zu uns kommen, sind die Probleme meist leider schon stark fortgeschritten. Damit wird eine Behandlung langwierig und aufwändig. Sie erfordert auch ein hohes Mass an Mitarbeit der Betroffenen, die einerseits antrainierte Handlungsmuster wieder loswerden und andererseits einen erheblichen Trainingsaufwand betreiben müssen, um den Nacken wieder aufzurichten und die Schultern richtig zu positionieren.

Das Problem «Handy-Nacken» sollte man deshalb gar nicht erst aufkommen lassen. Dazu folgende Tipps:

  • Reduzieren Sie Ihre Handy-Nutzungsdauer! Sprechen Sie stattdessen vermehrt persönlich mit Ihren Mitmenschen.
  • Bringen Sie mobile Geräte näher ans Gesicht und senken Sie besser den Blick als den Nacken.
  • Nutzen Sie das Handy nicht zu lange am Stück und machen Sie Lockerungsübungen für Ihren Nacken (Kopf von einer Seite zur anderen bewegen und das Ohr zur jeweiligen Schulter senken, bis ein Zug in der Halswirbelsäule spürbar wird. Den Kopf nach oben strecken und die Schultern nach unten ziehen).
  • Sitzen Sie auch bei anderen Bildschirmarbeiten richtig am Schreibtisch; das heisst gerade, aber mit entspannten Schultern. Die Füsse stehen dabei nebeneinander auf dem Boden. Stehen Sie unbedingt dreimal pro Stunde kurz auf.
  • Nutzen Sie wenn möglich einen Stehpult für Büroarbeiten.
  • Treiben Sie Sport – stärken Sie Ihre Muskeln! Ideal sind Pilates, Yoga und ein gut angeleitetes Krafttraining. Grundsätzlich ist jede Art von Bewegung gut – auch der Spaziergang mit Nachbars Hund!
  • Gönnen Sie sich bei Verspannungen regelmässig eine fachkundig ausgeführte Massage für die betroffene Nacken- und Rückenmuskulatur.

Gehören Sie allerdings zu den «hardcore» Smartphone-Nutzern, denen das Vorangehende egal ist, trösten Sie sich vielleicht mit der Theorie, dass wir uns nur in einer evolutionären Übergangsphase hin zum Homo smartphoneensis befinden, und die damit verbundenen Schmerzen und Beschwerden in 50 Generationen Geschichte sind. Aber was ist das schon: Ein kleiner Bandscheibenvorfall für den Menschen, ein grosser Vorsprung durch Technik für die Menschheit.

Die einen werden zwar noch mit Muskelhartspann, Verkrampfungen und steifem Nacken reagieren, und die eine oder andere Bandscheibe wird es wohl kosten. Aber mit der Zeit passt sich der Homo smartphoniensis an: Weil die Bänder im Halsbereich, den immer schwerer nach unten ziehenden Kopf halten müssen, werden die Knochen der Wirbelsäule mitwachsen. Beim Bison hat es wohl auch eine Weile gedauert, bis der Widerrist, der so genannte Wirbelfortsatz sich auf 50 cm Länge erstreckte und den mächtigen Kopf des königlichen Tieres schmerzfrei in der Waagrechten halten konnte.

    Rücken-OP oder Trainingstherapie – Interview mit einem Betroffenen

    Rücken-OP oder Trainingstherapie – Interview mit einem Betroffenen

    Kannst Du Dich unseren Blog-Lesern kurz vorstellen, Patrick?

    Ich heisse Patrick Stalder, wohne in Hinwil, bin noch nicht ganz 44-jährig und habe eine glückliche Familie mit zwei Kindern im Alter von 6 und 9 Jahren. In der Freizeit verbringe ich mit der Familie gerne Zeit in der Natur, im Winter beim Ski- oder Snowboard fahren, im Sommer beim Wandern und Pilze sammeln. Beruflich führen mein Geschäftspartner und ich ein KMU im Bereich des Sondermaschinenbaus für die Elektromotorenherstellung.

     

    Im November 2020 hast Du mit der Diagnose «Chronische Lumboglutealgie links bei Osteochondrose Modic II L5/S1; mediale Diskushernie» eine medizinische Trainingstherapie bei uns begonnen. Was bedeutet diese Diagnose und wie ging es Dir damals?

    Die Diagnose kam für mich nicht überraschend. Die Rückenschmerzen plagten mich damals schon sehr lange, jedoch wurde ich sie trotz verschiedenen Behandlungen (SMT, Osteopathie oder klassische Physio) nie mehr los. Immer wieder kehrten die Schmerzen nach kurzer Zeit zurück.

     

    Hättest Du nicht auch operieren können?

    Ja, sicher hätte ich mich sofort operieren lassen können. Mir wurde vorgeschlagen, die beiden betroffenen Wirbel zu versteifen. Wie immer bringt eine Operation verschiedene Risiken mit sich mit und eine Garantie auf nachhaltige Besserung gibt einem auch niemand.

     

    Wieso hast Du Dich für eine Trainingstherapie entschieden?

    Bis zu einer grösseren Verletzung am rechten Fuss im Jahr 2018 habe ich seit meiner Kindheit oft Sport getrieben. Ich habe aktiv Eishockey gespielt und hatte Freude mich zu bewegen. Nach einer verletzungsbedingten Pause von beinahe einem Jahr, hatte ich die Motivation Sport zu treiben ein wenig verloren. Das war weder für meine Muskulatur noch für mein Wohlbefinden gut.

    Der Entscheid, eine Trainingstherapie zu starten, fiel mir als «Ex-Sportler» somit nicht schwer. Das Ziel war, die Schmerzen in den Griff zu bekommen und eine Operation vermeiden zu können.

     

    Wie ist diese Trainingstherapie abgelaufen; wann hast Du erstmals eine Besserung gespürt?

    Nach einer Standortbestimmung mit der Therapeutin, habe ich erste spezifische Übungen erhalten. Zu Beginn haben wir uns wöchentlich getroffen, um die Erfolge zu beurteilen und das Training allenfalls anzupassen.

    Eine Besserung stellte sich bereits nach etwa 2 – 3 Monaten ein. Zu Beginn war ich einfach froh, dass ich in der Nacht wieder ohne Schmerzen durchschlafen konnte. Später hat sich der Schmerz auch im Alltag immer weniger bemerkbar gemacht.

     

    Du bist unseren TherapeutInnen während der beiden Trainingstherapien immer wieder als sehr diszipliniert und konsequent trainierender Patient aufgefallen. War es schwierig für Dich, Deinen Alltag so umzustellen, dass ein regelmässiges Training Platz fand?

    Was heisst schwierig? Aufgrund der schnellen Fortschritte war ich mir bewusst, dass ich die Schmerzen nur mit regelmässigem Training in den Griff bekomme. Und diese Erkenntnis machte es mir leicht das Training in meinen Alltag zu integrieren. Mittlerweile besuche ich die Aktiv Physio 2-3 mal in der Woche um dort zu trainieren.

     

    Nach Abschluss der Trainingstherapie hast Du Dich entschieden, nahtlos weiter Krafttraining zu betreiben – weshalb?

    Das Krafttraining ist eine flexible Methode mich fit zu halten und lässt sich gut mit dem Alltag vereinbaren. Mir ist es wichtig, meine Muskulatur nachhaltig zu stärken und so zu vermeiden, dass die Rückenschmerzen wieder zurückkehren.

     

    Wie fühlst Du Dich heute, 14 Monate nach Beginn Deiner Therapie? Hast Du Einschränkungen im Alltag?

    Zurzeit fühle ich mich körperlich sehr fit und bin ohne Schmerzen. Durch die regelmässigen Trainings fällt mir auch der Alltag einfacher, man fühlt sich einfach gut.

     

    Was empfiehlst Du Menschen, die von Rückenschmerzen geplagt werden oder eine ähnliche Diagnose erhalten haben, wie Du sie hattest?

    Meine Diagnose und der Verlauf dieser Trainingstherapie zeigen auf, dass mit regelmässigem Training eine bevorstehende Operation aufgeschoben oder gar umgangen werden kann. Ich empfehle allen Menschen sich mit ihrem Körper auseinanderzusetzen und ihn zu stärken. Die Erfolge erfüllen einem mit einem guten Gefühl und bringen Vitalität ins Leben zurück.

     

    Patrick Stalder ist eines von vielen Beispielen dafür, dass mit dieser und vergleichbaren Diagnosen nicht zwingend operiert werden muss und eine Physiotherapie/Medizinische Trainingstherapie mit nachfolgendem Krafttraining eine nachhaltige Lösung darstellen kann.

    Was die Erfolgsvoraussetzungen dazu sind? Eine gute Zusammenarbeit zwischen Patient, Physiotherapeut und Arzt, eine geeignete Therapieeinrichtung mit entsprechender Infrastruktur und dann natürlich der Wille und die Disziplin des Patienten zu trainieren und seine Probleme selbst in die Hand zu nehmen.

    Man darf auch erwähnen, dass Patienten wie Patrick dem Gesundheitssystem tausende von Franken sparen….